FB 6 Mathematik/Informatik/Physik

Institut für Mathematik


Navigation und Suche der Universität Osnabrück


Hauptinhalt

Topinformationen

SS 2025

21.05.2025 um 16:15 Uhr in Raum 69/125

Dr. Korinna Allhoff (Uni Hohenheim)

Koexistenz trotz Konkurrenz: Was wir von Moostierchen und Netzwerkmodellierung über Systemstabilität lernen können

Komplexe Ökosysteme werden oft als Netzwerke dargestellt, die sich dann mit den Methoden der linearen Algebra untersuchen lassen. Die Arten innerhalb eines Ökosystems bilden dabei die Netzwerkknoten und die Interaktionen zwischen den Arten bilden die Netzwerkkanten. Ziel ist es, herauszufinden, ob solche Netzwerke eine bestimmte Struktur haben und wie sich diese Struktur auf die Netzwerkstabilität auswirkt. Viele stabilisierende Mechanismen, die für die Erhaltung und Wiederherstellung von Ökosystemen relevant sind, konnten so erforscht werden. Allerdings beschränkt sich unser aktuelles Wissen auf ganz bestimmte Netzwerke, die zum Beispiel auf Räuber-Beute oder Pflanze-Bestäuber Interaktionen basieren. Zu Konkurrenzsystemen ist viel weniger bekannt, obwohl Konkurrenz eine ganz wesentliche und fundamentale Interaktion ist, die sowohl innerhalb einer Art als auch zwischen verschiedenen Arten auftritt.

Während meines Vortrages erkläre ich zunächst, wie Moostierchen uns helfen können, diese Lücke zu schließen. Moostierchen sind sesshafte Organismen, die auf dem Meeresboden um den vorhandenen Platz kämpfen, indem sie sich gegenseitig überwachsen. Wir kombinieren mathematische Modellansätze mit empirischen Daten, indem wir aus den beobachteten Abundanzen und Überwachsungen Jacobi-Matrizen abschätzen. Unsere Ergebnisse zeigen, dass die beobachteten Artengemeinschaften streng hierarchisch organisiert sind und dass diese Hierarchie einen stabilisierenden Effekt hat. Dieses überraschende Ergebnis lässt sich dadurch erklären, dass die Hierarchie zu asymmetrischen Mustern in den Jacobi-Matrizen führt, die wiederum dafür sorgen, dass destabilisierende Rückkopplungsschleifen relativ schwach bleiben. Positive, zweigliedrige Rückkopplungsschleifen spielen dabei eine Schlüsselrolle, denn sie können als Indikator für die Stabilität des Gesamtsystems genutzt werden. In einem zweiten Schritt zeige ich, dass der volle Effekt der Hierarchie auf die Systemstabilität in Zufallsmatrizen nur dann reproduziert werden kann, wenn eine schiefe Verteilung von Interaktionsstärken zugrunde liegt, sodass das System sehr viele schwache und nur wenige starke Interaktionen enthält. Dieses Ergebnis ist deswegen interessant, da in vielen theoretische Arbeiten entweder Normalverteilungen oder Gleichverteilungen benutzt werden, was bedeuten könnte, dass wichtige stabilisierende Strukturen bisher übersehen wurden. 

This is an Osnabrücker Maryam Mirzakhani Lecture